30 Jahre Frauen im Cockpit: „Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Lufthansa“

Es war eine Pilotin, die kürzlich eine dramatische Situation an Bord einer Boeing 737 gemeistert hat: Als im April bei einem inneramerikanischen Flug das Triebwerk eines Jets der Fluggesellschaft Southwest explodierte, Metallteile durch ein Kabinenfenster schlugen und die Passagiere fast aus dem Flugzeug gesaugt wurden, reagierte Tammy Jo Shults routiniert. Sofort leitete sie den Sinkflug ein und landete die Maschine außerplanmäßig auf dem internationalen Flughafen von Philadelphia.

SouthwestAir 11.34„Die Pilotin Tammy Jo war fantastisch. Sie hat uns sicher nach Philly gebracht“, schrieb später ein Passagier in den sozialen Netzwerken. Auch von Fachleuten wird das Verhalten der gesamten Crew gelobt.

„Ein Damen-Duo geht in die Luft“

Was heute wie selbstverständlich ist, war vor wenigen Jahrzehnten die Ausnahme. Der Beruf des Flugkapitäns blieb lange eine Männerdomäne, von einigen Ausnahmen abgesehen. Auch bei der Lufthansa. „Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Lufthansa“, sagte in den 60er Jahren Alfred Vermaaten, der Gründer und Leiter der Lufthansa Flugschule.

Erst am 23. August 1988 verkündete eine Pressemeldung: „Ein Damen-Duo geht in die Luft“. Nicola Lisy und Evi Hetzmannseder hatten die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen als erste Co-Pilotinnen erfolgreich absolviert und durften auf der rechten Seite im Cockpit einer Boeing 737-200 Platz nehmen.

Vorausgegangen war ein zweijähriger Lehrgang zusammen mit 14 männlichen Piloten-Anwärtern inklusiver Flugtraining in Arizona. Anfangs flogen die beiden mit Check-Piloten als Zweite Offiziere auf dem europäischen Streckennetz der Airline, bevor sie als Erste Offiziere das Steuerruder übernehmen durften.

Kapitäninnen

Gut zehn Jahre später schrieb Nicola Lisy erneut Luftfahrtgeschichte, als sie am 31. Januar 2000 zum ersten weiblichen Flugkapitän einer Maschine der Lufthansa befördert wurde.

Im Cockpit eines Airbus A380

Zwar sind 80 Prozent des Kabinenpersonals weiblich, aber im Cockpit bleiben Frauen eine Minderheit, wenn auch keine Sensation mehr. Von den 4000 Piloten der Lufthansa sind inzwischen sieben Prozent Pilotinnen. Die Fluglinie hatte sich übrigens schon früh die Wortschöpfung „Kapitänin“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. in Wiesbaden schützen lassen.

Am 8. März 2018, dem Weltfrauentag, ging auf dem Flug von Frankfurt nach Houston in Texas sogar eine rein weibliche Crew in die Luft. Nicht nur in der Kabine, sondern auch im Cockpit des Flaggschiffes saßen Pilotinnen, die über eine Lizenz für das Kommando eines Airbus A380 verfügen.

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Im internationalen Vergleich steht die deutsche Airline nicht schlecht dar. Nach Angaben von Statista ist nur der Anteil von Pilotinnen bei United Airlines geringfügig höher. „Durch eine gezieltere Ansprache von Bewerberinnen und das Arbeitsumfeld, in dem sich Familie und Beruf leichter verbinden lassen, haben wir die Zahlen weiblicher Bewerber an unserer Pilotenflugschule bereits steigern können“, sagt Bettina Volkens, die im Vorstand der Lufthansa für Personal und Recht zuständig ist. „15 Prozent unserer Nachwuchsflugzeugführer sind derzeit weiblich“. 

Im leeren Jumbojet über den At… Überführungsflug Boeing 747-8 (2120710)Pilotinnen gab es schon 1910. Als weltweit erste Frau erhielt Raymonde de Laroche am 8. März 1910 vom Aéro-Club de France den Pilotenschein. In den 1930er Jahren flog Marga von Etzdorf als Co-Pilotin bei der damaligen Luft Hansa eine Junkers A50 und zuvor eine Junkers F-13, das erste Ganzmetallflugzeug der Welt.

Tammy Jo Shults, die heldenhafte Southwest-Pilotin, hat übrigens ihre Flugausbildung nicht in der Zivilluftfahrt, sondern beim Militär absolviert. Zunächst war ihre Bewerbung von der U. S.-Air-Force abgelehnt worden. Doch bei der Navy durfte sie als Fliegerin Karriere machen und saß als eine der ersten Pilotinnen im Cockpit eines Fighter-Jets. Allerdings wurden ihr Kampfeinsätze im Golfkrieg verwehrt – da sie eine Frau ist.

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