Hand aufs Herz: Haben Sie einen Organspenderausweis? Diese kleine orange-blaue Karte, die klar regelt, wie es mit dem eigenen Körper weitergehen soll, wenn man eigentlich schon nicht mehr lebt? Nur jeder dritte Deutsche hat das kleine Pappkärtchen, die einen brav und ordnungsgemäß in der Brieftasche, die anderen irgendwo in der Schublade.
Doch dieses Stück Papier kann Leben retten, denn statistisch sterben jeden Tag drei Menschen in Deutschland, weil für sie keine Spenderorgane zur Verfügung stehen. Mehr als 10.000 Patienten warten auf das lebensrettende Organ. Vor allem bei Nieren ist die Warteliste lang – hier hoffen viermal so viele Kranke wie bei anderen Organen. Bis endlich die Nachricht bei den Patienten eintrifft, dass es Rettung für sie gibt, müssen sie lange durchhalten – durchschnittlich sechs Jahre. Das schaffen nicht alle.
Deutsche befürworten Organspende
84 Prozent der Deutschen findet Organspenden „eher positiv“, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dennoch dümpelt die Zahl der Spender auf einem historischen Tief. Eigentlich sollten seit der Gesetzesänderung von 2012 die Krankenkassen ihre Mitglieder regelmäßig zum Thema informieren. Laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Kassen kosteten die großen Infoaktionen alle zwei Jahre geschätzt rund 60 Millionen Euro. Gelohnt hat sich das offenbar nicht.
Im letzten Jahr gab es nur 797 postmortale Organspender bundesweit, 2016 waren es noch 60 mehr gewesen. Gleichzeitig sank die Zahl der gespendeten Organe um 9,5 Prozent auf 2594. Damit ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren erreicht. Daher denkt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn laut über eine Änderung des Verfahrens nach: Wer künftig keine Organe spenden möchte, muss dem ausdrücklich widersprechen. Ansonsten gilt man als Organspender. Organspende Rückgang 17.21
Organspenden im Ausland
Dieses Verfahren wenden schon viele europäische Nachbarn an – mit großem Erfolg: In Belgien und Kroatien kommen auf eine Million Einwohner mehr als 30 Spender, in Spanien sind es sogar 46,9. Dort gilt bereits die Widerspruchregelung. Seit Februar gilt dies auch in den Niederlanden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es lediglich 9,3 Menschen pro eine Millionen Einwohner. Lediglich Albanien, Rumänien oder Bulgarien haben miesere Werte.
In den USA sind von 240 Millionen Menschen 108 Millionen registrierte Spender. Doch diese hohe Bereitschaft musste historisch wachsen. Vor rund zehn Jahren waren es noch rund 70 Millionen registrierte Spender. Dann griffen mehrere große Info-Kampagnen. Inzwischen läuft die Registrierung recht unbürokratisch: Wer einen Führerschein beantragt, wird direkt gefragt, ob er auch Organspender werden will. Fällt die Anwtort positiv aus, kommt ein kleines rotes Herz auf den Führerschein, berichtet das „Ärzteblatt„.
Panik ums Thema Organspender
Massive Informationsaktionen, unkomplizierte Registrierung oder eben das Widerspruchverfahren: Es gibt eine Vielzahl von Optionen, die Zahl der gespendeten Organe zu erhöhen. Doch kaum wird laut über die Widerspruchlösung nachgedacht, bricht in Deutschland Panik aus, eine Manipulation der Bürger wird herbeigegrantelt, Spahn wolle die Menschen zum Spenden zwingen. Doch nimmt man die Hysterie mal aus der Diskussion heraus, ist die mögliche Widerspruchlösung à la Spahn keine „Lizenz zur Zwangsausschlachtung“, sondern ein Schritt zur Alltagstauglichkeit.
Denn jeder hat sicherlich eine Meinung zur Organspende – doch einen Ausweis haben die wenigsten. Denn das größte Problem ist nicht die mangelnde Bereitschaft, Organe zu spenden – sondern die Faulheit. Wer macht sich schon die Mühe, einem solchen Antrag hinterherzulaufen. Spenderausweis? Ja, klar – mach ich nächste Woche. Zugegeben, reizvoll ist das Thema nicht, was mit dem eigenen Körper passieren soll, wenn man nicht mehr ist. Doch die Widerspruchlösung würde diejenigen, die strikt gegen Organspenden sind, zum Handeln verdonnern. Denn ablehnen können sie ja weiterhin – doch das müssten sie eben auch aktiv äußern. Zwillinge Leberzirrhose 7.30
Wie tot ist hirntot?
Doch die Kritiker tönen weiter: Man sei gar nicht richtig tot beim Hirntot, man sei ja schließlich Mensch und nicht Maschine und soviel mehr als nur die Summe der funktionierenden Organe. Das mag sicherlich richtig sein, doch wer einen Blick auf die Intensivstationen wirft, kommt zu einem anderen Schluss. Denn dort leben viele Menschen nicht mehr, zumindest nicht, wenn Leben auch lebenswert und lebendig meint. Das Pochen in der Brust wird von Maschinen herbeigeführt, der Brustkorb hebt und senkt sich durch eine Apparatur. Zieht man den Stecker, stirbt der Mensch binnen Minuten. Doch solange noch minimale Fünkchen im Hirn zu messen sind, ist der Patient nicht tot – zumindest offiziell. Aber bleibt auch das aus, ist er hirntot. All das, was den Menschen ausmacht, ist unwiederbringlich verloren. Er kann nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, und auch die lebenswichtigen Mechanismen wie der Atmen setzen aus – es sei denn, Maschinen greifen ein.
Auf den ersten Blick sind auch Koma-Patienten in einem ähnlichen Zustand. Sie haben immerhin noch die Chance auf Genesung. Daher muss im Zusammenhang mit Organspenden auch eine ausführliche Hirntoddiagnostik durchgeführt werden. Nur wenn der Hirntod zweifelsfrei festgestellt wurde, ist die Organspende möglich. Organspende in den Niederlanden
Freilich mögen Medizinethiker das alles anders sehen. Die akademische Frage nach dem Lebensende ist komplex und theoretisch sicherlich auch spannend. Aber mehr als Angst kommt für die meisten Menschen dabei nicht heraus. Vor allem, wenn die Furcht vor einer schlampigen Hirntoddiagnose auf den Spahn-Zusatz trifft, dass Organtransplantationen besser bezahlt werden müssen. In ihren Ängsten wird das Verpflanzen von Organen zur Geldschinderei. Was natürlich ausgemachter Blödsinn ist. Bislang gibt es 3900 Euro pro Organ, werden mehrere Organe entnommen, sind es rund 5000 Euro. Organentnahme ist für Kliniken ein Verlustgeschäft. Selena Gomez Nieren-OP_16.15
Bitte eine Entscheidung
Der Mensch bleibt auch bei der Widerspruchlösung frei in der Entscheidung, seine Organe mit ins Grab zu nehmen. Allerdings zwingt man die Bürger dazu, sich Gedanken über den eigenen Körper zu machen. Denn eines muss klar sein: Man geht nicht in die Klinik, um Organe zu spenden. Postmortales Spenden folgt meist auf unvorhergesehene Unfälle oder Unglücke. Wer sich hier früh zu einer Entscheidung durchringt, nimmt auch den Angehörigen in einer solchen Ausnahmesituation viel Last ab. Kindermädchen Organspende 1742