„Du siehst heute irgendwie krank aus“ – man könnte über diese Bemerkung von Freunden und Bekannten verärgert sein, suggeriert sie doch, dass man nicht besonders vorteilhaft aussieht. Oder sie ernst nehmen. Denn schwedische Wissenschaftler haben in einer neuen Studie herausgefunden, dass wir zuverlässig in der Lage sind, zu erkennen, ob eine andere Person krank ist oder nicht.
Während sich andere Spezies vor allem auf ihren Geruchssinn verlassen – Hunde können etwa Krebserkrankungen mit ihrer feinen Nase diagnostizieren -, genügt bei uns ein aufmerksamer Blick ins Gesicht. „Wir können subtile Hinweise in der Haut, den Augen und dem Mund deuten“, sagt John Axelsson vom Karolinska Institute, einer der Co-Autoren der Studie, die in den „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht wurde.
Menschen erkennen Kranke zuverlässig
Für ihr Experiment spritzte das Team um Axelsson in zwei Sitzungen 16 Probanden – acht Männern, acht Frauen – einmal ein Placebo, das andere Mal ein Molekül von Bakterien. Weil das Immunsystem nicht weiß, dass es sich bei letzterem um eine harmlose Substanz handelt, dreht es auf, die Folge sind typische Krankheitssymptome. Die Wissenschaftler fotografierten die Teilnehmer zehn Minuten und zwei Stunden nach der Injektion, zu diesem Zeitpunkt gaben die Testpersonen an, sich unwohl zu fühlen.
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Anschließend wurden die Bilder 60 Studenten gezeigt, die einschätzen sollten, ob die gezeigte Person krank ist oder nicht. Dabei wurden die unterschiedlichen Bilder derselben Person niemals direkt hintereinander gezeigt. Von den insgesamt 2945 Bewertungen schätzten die Studenten 41 Prozent der Gesichter als krank ein – richtig sind eigentlich 50 Prozent. Von diesen 1215 „Krank-Bewertungen“ waren allerdings 775 richtig und 440 falsch. Die Testpersonen erkannten demnach 81 Prozent der Erkrankten, ein Ergebnis weit oberhalb der Ratewahrscheinlichkeit.Jahresrückblick 2017 Krankheiten 20.45
Vorteil für die Gesellschaft
Anschließend wollten die Wissenschaftler herausfinden, woran die Studenten die Kranken von den Gesunden unterscheiden konnten. In einer zweiten Runde stellte sich heraus, dass bestimmte Krankheitsmerkmale im Gesicht Indizien sind – etwa blasse Lippen, eine helle Gesichtsfarbe, hängende Mundwinkel, Schwellungen oder gerötete Augen. Bei bekannten Gesichtern (etwa engen Freunden oder Familienmitgliedern) liege die Trefferquote sogar noch höher, so die Wissenschaftler.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Indem man Krankheiten bereits im Frühstadium erkennt, kann man das Infektionsrisiko senken. Wenn erst Symptome wie Schniefen oder Husten auftreten, ist es bereits zu spät. „Wir halten deshalb nach diesen ersten Anzeichen Ausschau“, sagt Axelsson der „Washington Post“. In einem weiteren Experiment will das Team um Axelsson herausfinden, ob Ärzte und Medizinpersonal geübter sind, Kranke bloß anhand des Gesichts zu erkennen – oder ob sie nicht besser abschneiden als die zufällig ausgewählten Studenten.