„Nach dem Abitur bin ich durch Lateinamerika gereist und habe dort viel Leid gesehen: In El Salvador herrschte ein Bürgerkrieg, in Nicaragua gab es schwere Unruhen, Kaffeearbeiter wurden brutal ausgebeutet. Das hat mich nie wieder losgelassen. Seitdem bin ich überzeugt, dass jeder Mensch eine Verantwortung für das Wohlergehen der anderen hat.
Im Jahr 2014 hat die EU ihre Unterstützung für die Rettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer eingestellt. Da habe ich gespürt: Jetzt bin ich verantwortlich, ich will etwas tun. Mit Freunden habe ich den Verein Sea Watch gegründet und ein Schiff restauriert. Ich habe einmal mit einem Segelboot den Atlantik überquert, diese Erfahrung kam mir jetzt zugute. 2016 bin ich mehrere Monate lang mit unserem Schiff und einem Rettungsteam vor der libyschen Küste gekreuzt. Wir haben Menschen von den Schlauchbooten geholt, die hatten Folterspuren am Körper, andere hatten gebrochene Arme vom Transport durch die Wüste, Kinder saßen in ihrem Erbrochenen. Sie alle waren unglaublich glücklich, dass wir ihnen halfen. Diese Freude zu sehen war sehr befriedigend.
Auf hoher See – mit künstlicher Hüfte
Jetzt, mit mehr als 50 Jahren, habe ich Freiheiten und Fertigkeiten, die mir so ein Engagement überhaupt erst möglich machen. Ich habe in Lohbrügge bei Hamburg eine Autowerkstatt, und als Unternehmer entscheide ich zum großen Teil selbst, wie ich meine Zeit einsetze. Durch meine Erfahrung im Beruf bin ich heute in der Lage, Abläufe zu organisieren und Menschen zu führen. Zu meiner Crew auf dem Boot habe ich immer wieder gesagt: Wir müssen jeden Tag neu lernen. Im Laufe meines Lebens habe ich begriffen, wie leicht man eine unbekannte Situation falsch einschätzen kann.
Zum Glück bin ich gesund genug, um mich in der Seenotrettung einzusetzen. Vor einigen Jahren habe ich eine künstliche Hüfte bekommen, die macht aber keine Probleme. Ich tauche und segle und mache Fitnesstraining, dann kann ich auch auf einem Boot stehen und Menschen über eine Reling hinweg die Hand reichen.“