Lebenserwartung in Europa: Deutsche sterben früher als Menschen in anderen EU-Staaten – was sind die Gründe?

Wer in Deutschland lebt, hat eine niedrigere Lebenserwartung als Menschen in anderen westeuropäischen Staaten, darunter Frankreich, Österreich und die Schweiz. Zu diesem Ergebnis kommt eine große Gesundheitsstudie, die diesen Monat im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht wurde. Die Analyse ist Teil einer der größten Gesundheitsstudien weltweit, der „Global Burden of Disease“. Bei der Untersuchung werteten Wissenschaftler Daten aus 195 Ländern und mehr als 8200 Quellen aus, darunter Sterberegister und Volkszählungen. Schuld an der niedrigen Lebenserwartung könnte nach Ansicht von Experten der ungesunde Lebensstil vieler Menschen sein.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Laut Studie leben Männer in Deutschland im Schnitt 78,2 Jahre. Frauen werden durchschnittlich 83 Jahre alt. Damit steht Deutschland im westeuropäischen Vergleich weit abgeschlagen da: Im Schnitt leben die Menschen in westeuropäischen Nationen 79,5 Jahre (Männer; Differenz von 1,3 Jahren) und 84,2 Jahre (Frauen; Differenz von 1,2 Jahren). 

Lateinamerika Fettleibigkeit 12.30Die Spitzenreiter bei der Lebenserwartung sind dagegen Spanien und die Schweiz. Spanische Frauen leben im Schnitt 85,8 Jahre, die Männer werden rund 80 Jahre alt. Frauen aus der Schweiz sind ähnlich langlebig wie Frauen in Spanien. Nur die Männer werden im Schnitt noch einmal zwei Jahre älter – nämlich 82, 1 Jahre. 

Statistisch betrachtet kletterte die Lebenserwartung weltweit seit 1950 um nahezu 50 Prozent gestiegen. Sie stieg von 48,1 Jahre auf 70,5 Jahre für Männer und von 52,9 Jahre auf 75,6 Jahre für Frauen. 

Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass die Lebenserwartung von Land zu Land stark schwanken kann. Auch gibt es große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In der Zentralafrikanischen Republik sterben Männer im Schnitt mit 49,1 Jahren, während Frauen in Singapur durchschnittlich 87,6 Jahre werden.

Große Unterschiede gibt es auch zwischen West- und Osteuropa. In den osteuropäischen Staaten liegt die Lebenserwartung im Schnitt bei gerade einmal 66,5 Jahren für Männer und 77,2 Jahren für Frauen. Das entspricht einer Differenz von 13 (Männer) beziehungsweise sieben Jahren bei Frauen im Vergleich zu der westeuropäischen Lebenserwartung.

Warum leben Deutsche im Vergleich zu anderen Westeuropäern so kurz?

Einer der Hauptgründe könnte der ungesunde Lebensstil sein, glaubt Pavel Grigoriev, Wissenschaftler beim Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock. „Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, insbesondere jenen am Mittelmeer wie Spanien oder Frankreich, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland stärker verbreitet“, wird der Forscher vom „Focus“ zitiert. 

In Mittelmeer-Ländern würden sich die Menschen gesünder ernähern. Die Kost beinhalte viel Gemüse, Salate, Obst, aber auch Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte. In Deutschland würden die Menschen dagegen gern zu fettigen, kalorienreichen Speisen greifen. Auch Tabak- und Alkoholkonsum, zu wenig Bewegung und Übergewicht seien hierzulande ein großes Problem.

Dass die Deutschen auffallend dick sind, bestätigen auch Zahlen von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union. Hierzulande sind demnach 16,9 Prozent der Erwachsenen adipös, also fettleibig. Der EU-Durchschnitt liegt bei 15,9 Prozent. In Italien liegt der Anteil adipöser Menschen bei gerade einmal 10,7 Prozent.

Warum sterben Männer früher als Frauen?

Dass Männer eine kürzere Lebenserwartung als Frauen haben, ist hinreichend bekannt. Weltweit betrachtet hat sich der Unterschied im Zeitraum zwischen den Jahren 1950 und 2017 sogar vergrößert – nämlich von 4,7 Jahre auf 5,1 Jahre. 

Seit langem versuchen Wissenschaftler, die Gründe für die kürzere Lebenserwartung herauszufinden. In Frage kommen etwa genetische Ursachen, aber auch Faktoren wie der Lebensstil. Vieles spricht dafür, dass Männer sich die kürzere Lebenserwartung selbst erarbeiten: So rauchen sie statistisch gesehen häufiger als Frauen, sie trinken zudem in der Regel mehr Alkohol. Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle: Nach Angabe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind hierzulande 59 Prozent der Männer übergewichtig. Bei den Frauen sind es 37 Prozent. 

Männer sind zudem in allen Altersgruppen häufiger übergewichtig als Frauen.

Was sind die häufigsten Todesursachen in Deutschland?

Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. 357.000 Menschen starben im Jahr 2015 an Erkrankungen des Herzens, etwa einem Herzinfarkt oder einer Herzinsuffizienz. An zweiter Stelle stehen Krebsleiden mit 226.000 Todesfällen. Lungenkrebs macht daran den größten Anteil aus – mit 45.000 Todesfällen. An zweiter und dritter Stelle stehen Brust- und Dickdarmkrebs.

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