Die Auflösung
Ohne Glühwein: Füße wie Eiszapfen. Ständig wird man angerempelt. Blöde Bastelkram-Buden. Was soll ich denn mit einem Filz-Rucksack? Peinliche Nikolausmützen. Und dann dieses lahme Last-Christmas-Gedudel – schrecklich.
Mit Glühwein: Herrlich, all die tanzenden Lichter! Schau mal, die verkaufen selbstgebastelten Christbaumschmuck! Und was für süße Mützen die Leute tragen! „Laaaaaaaaast Christmas, I gave you my heaaart…“
Mit Alkohol sieht die Welt gleich ganz anders aus. Manchmal ein bisschen schöner, meist zumindest deutlich lustiger. Bei Glühwein scheint dieser Effekt besonders schnell einzutreten. Je nach Statur und Magenfüllstand fühlt man sich schon nach ein paar Schlucken angeheitert und wohlig benebelt. Ist das Einbildung? Oder steigt uns das süffige Heißgetränk wirklich schneller zu Kopf als kalter Wein?
Der Rausch setzt erst ein, wenn der konsumierte Alkohol in die Blutbahn gelangt. Eine geringe Menge wandert bereits durch die Magenschleimhaut ins Blut, doch der schnellste Weg führt durch die Schleimhaut des Dünndarms. Das heißt: Je eher der Alkohol in den Darm gelangt, umso eher wird man betrunken. Die wahre Frage ist also: Wird warmer Alkohol schneller in den Darm aufgenommen als kalter?
Laut Reinhard Urban, Fachmann für Blutalkohol am Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz, ist genau das der Fall: „Da unser Dünndarm Kaltes nicht gut verträgt, bleiben kalte Speisen und Getränke so lange im Magen, bis sie Körpertemperatur erreicht haben. Glühwein hingegen kann gleich in den Darm fließen und gelangt somit auch ein bisschen schneller in die Blutbahn.“ Hinzu kommt, dass Hitze die Durchblutung im Magen-Darm-Trakt anregt. Wenn in kürzerer Zeit mehr Blut durch die Gefäße in Magen- und Darmschleimhaut fließt, können auch schneller größere Mengen Alkohol resorbiert werden.
Der verhasste dicke Kopf
Groß sei der Unterschied zwischen heiß oder kalt allerdings nicht, meint Urban. Und für den Kater am nächsten Morgen könne man die Temperatur erst recht nicht verantwortlich machen. „Das liegt eher an den ganzen Begleitstoffen, die Glühwein beigemischt werden“, erklärt er. „Es ist ja kein reiner Wein, sondern eine bunte Mixtur aus Wein, Zucker, Gewürzen und Schnäpsen.“ Wissenschaftler vermuten, dass die Verträglichkeit eines Getränks nicht nur vom reinen Alkoholgehalt abhängt, sondern auch von der Menge und Anzahl der Zusatzstoffe wie Fuselöle oder Tannine. Je weniger Beiprodukte ein alkoholisches Getränk enthält, umso geringer ist das Risiko, am Morgen danach mit einem dicken Kopf aufzuwachen. Wer am nächsten Tag arbeiten muss, sollte also lieber Wodka trinken. Oder lieber gleich Kakao – ohne Schuss natürlich.