Nach der Annexion: Staus ohne Ende – Krim wird wieder zum Touristenmagnet

Patriotismus steht in Russland hoch um Kurs. Insbesondere seit sich die russische Regierung wegen der Annexion der Krim mit dem Westen überworfen hat. Und Patrioten machen Urlaub in der Heimat – so der Narrativ des Kremls. Seit einigen Jahren wird die russische Regierung nicht müde, die Schönheit des eigenen Landes zu bewerben. Im Staatsfernsehen schwärmen die Moderatoren immer zu von der angeblich unberührten Natur des Altai-Gebirges, dem einmaligen Flair in Sotschi – und den schönen Stränden der Krim, die in den Augen der Russen russisch ist und es schon immer war. Die Halbinsel, die zur Zeiten der Sowjetunion für Millionen von Menschen sowas wie ein Pendant zur unerreichbaren französischen Côte d’Azur war, soll wieder zur einstigen Größe aufsteigen.

Nach der Annexion der Krim erlebte die Tourismus-Branche auf der Krim eine tiefe Krise. Die Touristen aus der Ukraine, die zuvor einen Großteil darstellten, blieben aus. Und die russischen Touristen, die im Zuge des Krim-Hypes angelockt wurden, konnten die Ausfälle nicht ausgleichen. Doch langsam zeigt die stetige russische Werbung Wirkung. Die Touristenzahlen steigen, in diesem scheint die Krim wieder zu boomen.

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Nicht zuletzt zu verdanken ist der Aufschwung der neuen Krim-Brücke. Im Mai wurde der monumentalen Bau eröffnet. Die Brücke führt über die Straße von Kertsch und ist nun die erste Landverbindung zwischen der annektierten Halbinsel und dem russischen Festland: 19 Kilometer lang, drei Milliarden Euro teuer und extrem symbolträchtig. Als das Sinnbild von „Einheit und Freiheit“ bezeichnete Wladimir Putin den Bau bei der Eröffnung.

Die Krim verwandelt sich in einen einzigen Stau

Die Brücke mit der bereits freigegebenen vierspurigen Autobahn und der zweigleisigen Eisenbahnstrecke, die erst im kommenden Jahr eröffnet wird, beflügelt nun aufs Neue den Nationalstolz – und lockt Touristen an. Einwohner aus den benachbarten Regionen strömen auf die Halbinsel, um wenigsten ein Wochenende am Meer zu verbringen. 

Der Andrang ist so groß, dass sich die Halbinsel in den vergangen Tagen in einen einzigen Stau verwandelt hat. Selbst abseits der Hauptstrecken geht es kaum vorwärts, wie Autofahrer in sozialen Netzwerken berichten. „Die Staus sind endlos. Selbst auf scheinbar zweitrangigen Strecken und selbst rund um kleine Siedlungen“, schreibt etwa ein Nutzer.

Die Staus werden bis zu 20 Kilometer lang. Besonders schlimm ist es auf dem Abschnitt zwischen den Dörfern Primorskij nach Feodosia, berichtet die Zeitung „Gazeta.ru.“

Politisches Statements durch Hashtag

Diejenigen, die das Glück haben, endlich durchzukommen, posten fleißig Urlaubsbilder im Netz, die sich nicht im Geringsten von den Schnappschüssen aus jedem beliebigen Urlaubsort dieser Welt unterscheiden. 

Von der politischen Dimension der Annexion, von dem Krieg, der daraufhin in der Ukraine ausbrach und immer noch blutige Opfer fordert, von der Zerrüttung eines ganzen Landes – davon scheinen die Touristen nichts wissen zu wollen. Im Gegenteil: So einige versehen ihre Urlaubsbilder mit dem demonstrativen Hashtag #крымнаш, was so viel heißt „Die Krim ist unsere“.

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Moskau hatte sich die Krim nach einem umstrittenen Referendum im März 2014 einverleibt. Die Zugehörigkeit der Krim zu Russland haben bisher nur Armenien, Bolivien, Nicaragua, Nordkorea und Syrien offiziell anerkannt. Die Ukraine beharrt auf der Rückgabe der Halbinsel.

Doch das wird niemals geschehen, wie Wladimir Putin immer wieder wiederholt, zuletzt bei seinem Treffen mit Donald Trump in Helsinki. Stattdessen werden weiter Milliarden in die Infrastruktur investiert. Eine neue Autobahn soll in Zukunft den Autofahreren die Staus ersparen. Im Eiltempo wird zwischen Kertsch, Sewastopol und Simferopol die Autobahn „Tawrida“ gebaut, 280 Kilometer lang. Bereits Ende 2018 sollen zwei Spuren der Trasse befahrbar sein, bis 2020 sollen alle vier Fahrspuren fertig sein.

Ob der Andrang der Touristen dann anhält, bleibt aber abzuwarten. Auch ob das russische Finanzministerium von den steigenden Touristenzahlen profitieren wird, ist ungewiss. Viele der Reisenden entscheiden sich nämlich für private Unterkünfte, bleiben bei Freunden und Verwandten. Steuern fallen dabei für den Staat keine ab. Denn Hotels auf der Halbinsel sind verhältnismäßig teuer. 

Auch die Kaufkraft der Touristen ist bislang ungewiss. Denn Russen, die Geld haben, pflegten bislang Urlaub im Ausland zu machen. 

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